Faserverstärkte Kunststoffe spielen eine zentrale Rolle im modernen Flugzeugbau: Sie sind leicht, extrem belastbar und widerstandsfähig gegen Materialermüdung. Bisher war es jedoch schwierig, diese Hochleistungsmaterialien nach ihrer Nutzung wiederzuverwenden. Zwar werden sie teilweise recycelt, doch die daraus gewonnenen Materialien konnten bislang nicht für sicherheitsrelevante Anwendungen wie im Flugzeugbau eingesetzt werden. Das interdisziplinäre Projekt reFrame, initiiert von der Leibniz Universität Hannover, der Technischen Universität Braunschweig, der Technischen Universität Clausthal und der Privaten Fachhochschule Göttingen, will dies ändern. Ziel ist es, das Recycling von kohlefaserverstärkten Kunststoffen so zu optimieren, dass die recycelten Materialien erneut im Flugzeugbau verwendet werden können.
Dieses ambitionierte Vorhaben wird mit insgesamt 4,7 Millionen Euro aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und vom Land Niedersachsen gefördert, wovon 3,95 Millionen Euro an die Forschungskooperation fließen. In den kommenden drei Jahren wird das Team auf höchstem Niveau an einer nachhaltigen Luftfahrt forschen.
Ein besonderes Augenmerk liegt auf der sogenannten Sandwichbauweise, einer speziellen Form des Verbundwerkstoffs. Diese Bauweise, bestehend aus zwei Deckschichten und einem zwischenliegenden Kernmaterial, bietet ein exzellentes Leichtbaupotenzial und ist eine vielversprechende Alternative zu herkömmlichen Faserverbundstrukturen im Flugzeugbau. Allerdings konnten die verwendeten Materialien am Ende ihrer Lebensdauer bisher nicht in gleichwertigen Strukturbauteilen wiederverwendet werden.
Die Fragestellung von reFrame
Das Ziel von reFrame ist es, einen geschlossenen Kohlenstofffaser-Recyclingkreislauf zu schaffen und gleichzeitig das Hochleistungspotenzial der Kohlenstofffasern zu erhalten. Hintergrund ist, dass bei solchen Hochleistungsbauteilen keine Leistungseinbußen hingenommen werden können, da dies sonst das Strukturgewicht und somit beispielsweise den Treibstoffverbrauch von Flugzeugen erhöhen würde.
Im Projekt reFrame wird die Idee entwickelt, CFK-Sandwichstrukturen mit einem Kern aus recyceltem Ausgangsmaterial und thermoplastischen Deckschichten zu kombinieren, zu untersuchen und umzusetzen. Da sowohl die Deckschicht als auch der Kern aus demselben Ausgangsmaterial bestehen, kann die gesamte Struktur recycelt und zu einem neuen Kern verarbeitet werden. So entsteht ein geschlossener CFK-Sandwich-Recyclingkreislauf ohne Anwendungseinschränkungen.
Der Abschluss des Projekts sieht die Realisierung eines Demonstrators einer recycelten Flugzeugstruktur vor. Die gewonnenen Erkenntnisse werden im Transferteil mit Unterstützung der Privaten Hochschule Göttingen (PFH) genutzt, um mit Industriepartnern direkt an der weiteren Umsetzung zu arbeiten.
Stade – Standort mit Vorteil
Durch die interdisziplinäre Forschungskooperation im interuniversitären Forschungsverbund HP CFK (Leibniz Universität Hannover, TU Clausthal und TU Braunschweig) am Standort Stade kann die gesamte Entwicklung abgedeckt werden: vom Gesamtentwurf und der Auslegung (TU Braunschweig) über die Materialanalyse und das Recycling (TU Clausthal) bis hin zur Produktion (Leibniz Universität Hannover). Die Kooperation wird von der Privaten Hochschule Göttingen (PFH), Hansecampus Stade, unterstützt, die sich aktiv um den Wissens- und Technologietransfer kümmert.
Das Institut für Polymerwerkstoffe und Kunststofftechnik konzentriert sich auf das Recycling von thermoplastischen Faserverbundbauteilen und produktionsbedingten Verschnittabfällen sowie deren Aufwertung für die Wiederverwendung in Hochleistungsanwendungen. Zunächst wird das Rezyklat zu einem kurzfaserverstärkten Basiscompound verarbeitet, aus dem dann durch Funktionalisierung ein pressfähiges Leichtbaukernmaterial erzeugt wird. Neben dreidimensional gepressten Kernmaterialien werden auch die Möglichkeiten des Drucks individueller kurzfaserverstärkter Kerne für den Einsatz in Sandwichstrukturen untersucht.
Der Lehrstuhl für Gesamtentwurf von Flugzeugen des Instituts für Flugzeugbau und Leichtbau wird dabei mögliche Einsatzbereiche analysieren und einen Flugzeugentwurf erstellen, der auf den Einsatz von Recycling-Strukturen und zukünftige Mobilitätsanforderungen abgestimmt ist. Ergänzend dazu erfolgt am Lehrstuhl für Flugzeugkonstruktion die Auslegung der Struktur mit angepassten Methoden für Rezyklate, da diese eine höhere Streuung in ihren Materialeigenschaften aufweisen. Das Leichtbaupotenzial kann durch gezielte Funktionsintegration gesteigert werden, beispielsweise durch das Einbringen von Brandhämmern oder Sensorik zur Strukturüberwachung. Um ein vollständiges und sortenreines Recycling von Strukturen zu ermöglichen, wird in dem Forschungsprojekt ein besonderer Fokus auf reversible Fügemethoden gelegt.
Das Institut für Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen wird zur Reduktion von Primärrohstoffen in Hochleistungsstrukturen das Einsatzpotenzial von recycelten und biobasierten Materialien in thermoplastischen Automated-Fiber-Placement-Technologien untersuchen und leistet damit einen großen Beitrag zur Umsetzung nachhaltiger Mobilitätskonzepte. Der Einsatz von KI-basierter Prozessüberwachungstechnologie, Digitalisierungsansätzen sowie energieeffizienten Fertigungsstrategien legt den Grundstein für eine CO₂-arme Produktion.
Als Maßnahme zur nachhaltigen Stärkung des regionalen Wissenstransfers sind sowohl eine ausgeprägte Transferperiode im fortgeschrittenen Projektverlauf als auch kontinuierliche Transferarbeit durch die Private Fachhochschule Göttingen (PFH), Hansecampus Stade, vorgesehen. In Kooperation mit interessierten KMU werden Themenpotenziale im Rahmen von projektbegleitenden Voruntersuchungen erhoben und bewertet, die sich nah an den anwendungsorientierten Fragestellungen der beteiligten Industriepartner orientieren und das Ziel haben, die Projektergebnisse in Fortsetzungsprojekte in den Unternehmen zu transferieren.