Nachhaltiger Leichtbau für die Mobilität der Zukunft
Faserverstärkte Kunststoffe bieten enormes Potenzial zur Reduzierung von Kraftstoffverbrauch und CO2-Emissionen in Mobilitätsanwendungen. Dennoch stellt ihr zunehmender Einsatz langfristig eine große Herausforderung für die Verwertung nach dem Lebensende dar. Besonders kritisch ist das Recycling von hochbelastbaren, kostenintensiven Kohlenstofffasern, deren Herstellung im Vergleich zu Stahl mit nahezu fünffachem Energieaufwand und 15-facher CO2-Emission einhergeht. Dies bietet ein erhebliches ökonomisches und ökologisches Wiederverwertungspotenzial. Jedoch führen bestehende Recyclingansätze für Faserverbundstrukturen – sei es chemisch, pyrolytisch oder mechanisch – häufig zu einer Verschlechterung der mechanischen Eigenschaften gegenüber jungfräulichen Materialien. Dies erschwert den Einsatz von Rezyklaten in hochbelasteten, gewichtsrelevanten Anwendungen, wie sie beispielsweise in der Luftfahrt vorkommen. Der aktuelle industrielle und wissenschaftliche Kenntnisstand im Umgang mit recycelten Materialien, insbesondere hinsichtlich ihrer Berücksichtigung in der Strukturauslegung und Schadensmodellierung, ist daher als unzureichend zu bewerten.
Das Projekt reFrame hat sich zum Ziel gesetzt, eine geschlossene Recyclingroute für thermoplastische end-of-use CFK-Bauteile zu entwickeln, um sie erneut für Leichtbau-Hochleistungsanwendungen nutzbar zu machen. Dazu werden zunächst sowohl produktionsbedingte Prepreg-Verschnittreste als auch end-of-use Bauteile in einem Rezyklierungsprozess funktionalisiert und zu einem kurzfaserverstärkten, thermoplastischen Compound verarbeitet. Durch die anschließende Kombination des Rezyklats mit endlosfaserverstärkten Kohlenstofffaser-Tapes, die im thermoplastischen Automated-Fiber-Placement (TAFP) und Heizpressprozess angebunden werden, sollen neue Hochleistungsanwendungen erschlossen werden. Die im Projekt entwickelten Werkstoffkonzepte werden anhand eines elektrisch angetriebenen Fluggeräts in der Strukturauslegung getestet und bewertet.
Die interdisziplinäre Forschungskooperation im Forschungsverbund HP CFK (TU Clausthal, TU Braunschweig und Leibniz Universität Hannover) am Standort Stade ermöglicht die vollständige Abdeckung der Entwicklung:
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- Das Institut für Polymerwerkstoffe und Kunststofftechnik konzentriert sich auf das Recycling thermoplastischer Faserverbundbauteile und produktionsbedingter Verschnittabfälle sowie deren Aufwertung für Hochleistungsanwendungen. Zunächst wird aus dem Rezyklat ein kurzfaserverstärktes Basiscompound entwickelt, das anschließend durch Funktionalisierung zu einem pressfähigen Leichtbaukernmaterial weiterverarbeitet wird. Neben dreidimensional gepressten Kernmaterialien werden auch Möglichkeiten zum 3D-Druck individueller kurzfaserverstärkter Kerne für den Einsatz in Sandwichstrukturen untersucht.
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- Der Lehrstuhl für Gesamtentwurf von Flugzeugen des Instituts für Flugzeugbau und Leichtbau wird mögliche Einsatzbereiche von Recycling-Strukturen analysieren und einen Flugzeugentwurf entwickeln, der an zukünftige Mobilitätsanforderungen angepasst ist. Ergänzend dazu wird am Lehrstuhl für Flugzeugkonstruktion die Strukturauslegung mit angepassten Methoden für Rezyklate durchgeführt, da diese eine höhere Streuung in ihren Materialeigenschaften aufweisen. Durch gezielte Funktionsintegration, wie das Einbringen von Brandschutzsystemen oder Sensorik zur Strukturüberwachung, kann das Leichtbaupotenzial weiter gesteigert werden. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf reversiblen Fügemethoden, um ein vollständiges und sortenreines Recycling der Strukturen zu ermöglichen.
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- Das Institut für Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen untersucht das Einsatzpotenzial recycelter und biobasierter Materialien in thermoplastischen Automated Fiber Placement-Technologien zur Reduktion von Primärrohstoffen in Hochleistungsstrukturen. Durch den Einsatz von KI-basierter Prozessüberwachung und Digitalisierungsansätzen sowie energieeffizienten Fertigungsstrategien wird der Grundstein für eine CO2-freie Produktion gelegt.
Im Rahmen einer intensiven Transferperiode im fortgeschrittenen Projektverlauf sowie durch kontinuierliche Transferarbeit seitens der Privaten Fachhochschule Göttingen (PFH), Hansecampus Stade, wird der regionale Wissenstransfer nachhaltig gestärkt. Gemeinsam mit interessierten KMU werden im Rahmen von projektbegleitenden Voruntersuchungen anwendungsnahe Fragestellungen der beteiligten Industriepartner bearbeitet, mit dem Ziel, die Projektergebnisse in Anschlussprojekte und Unternehmen zu überführen.
Förderer: Europäischer Fond für Regionale Entwicklung (EFRE) und Land Niedersachsen
Laufzeit: 2024-2027